Wespen im Garten sind für viele Gartenbesitzer immer wieder ein heikles Thema. Im heutigen Interview unterhalte ich mich daher mit dem Wespenberater Peter Tauchert, der auf seiner Webseite Aktion-Wespenschutz umfassend zu diesem Thema informiert.
Hallo Herr Tauchert. Bitte stellen Sie sich und Ihre Arbeit kurz vor.
Hallo liebe Leser,
„Hilfe, wir haben ein Wespennest bei uns zu Hause!“ … mit diesen Worten werde ich in den Sommermonaten viele Male konfrontiert, wenn wieder einmal ein Wespen – oder Hornissennest in Haus und Garten die Bewohner in helle Aufregung versetzt.
Ich darf mich einmal kurz vorstellen:
Mein Name ist Peter Tauchert.
Ich bin im Landkreis Offenbach in Hessen zu Hause und dort seit vielen Jahren in der Feuerwehr tätig. Gerade bei den Feuerwehren stehen in den Sommermonaten die Telefone nicht mehr still, wenn es um das „stichhaltige Sommerthema“ – Wespen – geht.
Ich beschäftige mich mit den heimischen sozialen Faltenwespen seit 1993 und versuche als Wespenberater und Umsiedler durch Aufklärungsarbeit ein Miteinander zwischen Mensch und Tier zu bewirken und gegebenenfalls mit technischen Maßnahmen oder Umsiedlung störender Wespennester, ein Abtöten des Wespennestes und somit die Kontaminierung mit schädlichen Giften in Haus und Garten zu vermeiden.
Ich hoffe mit meiner Arbeit einen kleinen Beitrag zum Schutz unserer heimischen Faltenwespen zu leisten und vielleicht auch jemanden anzuregen, sich am Schutz dieser schönen und sehr nützlichen Insekten zu beteiligen oder vielleicht einmal ein entdecktes Wespennest in Haus und Garten zu dulden und für wenige Monate zu beobachten.
Was war bei Ihnen der Auslöser, sich für Wespen einzusetzen?
„… gelb-schwarz, … kann stechen und ist in den Spätsommermonaten einfach nur nervig – und dann noch das „Horrorwesen“ Hornisse, welches mit drei Stichen einen Menschen töten kann.“
Das war bis 1993 auch meine Meinung zu unseren heimischen sozialen Wespenarten …
Im Rahmen einer beruflichen Fortbildung erfuhr ich, dass es insgesamt 12 heimische soziale Wespenarten gibt, von denen lediglich zwei Arten lästig werden können.
Ebenso gehört die Aussage: „Drei Hornissenstiche töten einen Menschen und sieben Stiche ein Pferd“ in die Märchenwelt. Ein Hornissenstich ist nicht gefährlicher als ein Wespenstich – außer natürlich für einen Allergiker.
Hornissen stehen bereits seit 1989 unter besonderem Schutz. Somit macht man sich strafbar, wenn man ein Hornissennest zerstört.
Nach der Fortbildung war mein Interesse geweckt und der Grundstein für Maßnahmen zum Schutz der heimischen Wespenarten war gelegt.
Wespen haben noch heute mit dem Vorurteil zu kämpfen, dass sie mit ihrer Vorliebe auf Süßes im Sommer nur lästig sind. Entsprechend war ich bis 1993 noch einer der Ersten an der „Giftspritze“, wenn es darum ging, im Rahmen eines Feuerwehreinsatzes ein Wespennest zu entfernen und einen besorgten Anrufer zufriedenzustellen …
Mit meiner Tätigkeit als „Wespenberater und Umsiedler“ versuche ich durch Aufklärungsarbeit, noch herrschende Vorurteile gegenüber einer nützlichen Insektengruppe aus dem Weg zu räumen.
In meiner geführten Jahres-Einsatzstatistik kann man erkennen, dass nach einer guten Aufklärungsarbeit etwa 70-80% aller Wespennester am Standort verbleiben dürfen. Die meisten Wespennester befinden sich weit außerhalb des Gefahrenbereichs. Und lediglich fliegende Wespen sind nun wirklich kein Tötungsgrund.
Als Feuerwehrmann wäge ich natürlich genau ab, um welche Wespenart es sich handelt und wo sich ein Wespennest befindet. Für mich steht selbstverständlich der Mensch im Vordergrund.
Bei Konflikten versuche ich für beide Parteien, sowohl Mensch als auch Wespe, das Beste herauszuholen.
Die meisten Menschen verbinden mit dem Begriff „Wespe“ eigentlich nur eine bestimmte Art. Können Sie ein wenig über die verschiedenen Wespenarten sprechen und davon, welche von ihnen als typische Besucher beim nachmittäglichen Kaffee und Kuchen gelten?
Wie bereits oben erwähnt „… gelb-schwarz, … kann stechen, … nervt nur …“, so wie ich damals dachte, so denken natürlich viele Menschen. Das kann man so allerdings nicht pauschalisieren.
Es gibt bei uns insgesamt 12 staatenbildende Wespenarten, die ab etwa Mitte April erscheinen und je nach Wespenart bereits August/September oder im Oktober/November wieder absterben.
Von Mai bis Mitte August, so werden Sie sicher feststellen bzw. schon festgestellt haben, besucht keine einzige Wespe den Kuchen, die süße Limonade oder das Grillfleisch!
In der Natur gibt es Nahrung in Hülle und Fülle. Ausnahmslos alle Wespenarten brauchen energiespendende, kohlehydrathaltige Nahrung als „Flugbenzin“.
Hier bietet die Natur genug an: Baum- und Pflanzensäfte, Nektar, Honigtau der Blattläuse usw.
Bereits von Juli bis September sterben die Wespenvölker der „Langkopfwespen“ ab.
Das sind die Wespenvölker, deren graue Kugelnester man leicht entdecken kann. In Vogelkästen, Holzschuppen, Gartenhäusern, offen an Gebäuden oder z.B. in Sträuchern, hängen graue, handballgroße und erdbeerförmige Wespennester, deren kleines Einflugloch nach unten zeigt.
Diese Nester gehören den „harmlosen“ Wespenarten, die niemals die Speisen oder Getränke des Menschen anfliegen.
Wenn man den Lebenszyklus betrachtet, sind diese Arten bereits schon im August, spätestens September abgestorben und können somit im Spätsommer gar nicht lästig werden …
Übrig bleiben im September die „Kurzkopfwespen“.
Das sind die Deutsche Wespe und Gewöhnliche (Gemeine) Wespe. Diese Wespenarten bilden große und versteckt gebaute Nester aus. Erdlöcher, Rollladenkästen, dunkle Dachböden, dunkle Nischen und Spalten sind die bevorzugten Neststandorte dieser beiden genannten Wespenarten.
Die Deutsche Wespe und die Gemeine Wespe können im Spätsommer und Herbst nervig werden.
Sie durchleben einen langen Lebenszyklus, der bis etwa Anfang November reicht.
Sie sehen schon, dass man anhand der Jahreszeit und der Neststandorte leicht differenzieren kann:
Nester, die man leicht entdecken kann, die grau und etwa handballgroß sind, gehören zu den „harmlosen, nicht lästig werdenden“ Wespenarten.
Nester, die versteckt sitzen, die man noch im September / Oktober durch massiven Flugverkehr entdeckt, die gehören der Deutschen Wespe oder der Gemeinen Wespe.
Wenn also ab Mitte August und im September zur „Pflaumenkuchenzeit“, eine Wespe auf dem Esstisch landet, so handelt es sich zu 99% um die Deutsche Wespe oder die Gemeine Wespe.
Trotz der Unterschiede darf man aber die Deutsche oder die Gemeine Wespe nicht anprangern. Man sollte bedenken, dass während des gesamten Entwicklungszyklus sämtliche Wespennester gigantische Insektenvertilger sind und somit u.a. auch die Deutsche Wespe und die Gemeine Wespe einen wichtigen Stellenwert im Naturhaushalt haben.
Die Wespe wird von vielen Menschen noch immer als ein Tier angesehen, welches bekämpft werden muss. Doch warum sind Wespen wichtig für unser Leben und auch im eigenen Garten nützlich?
Ich hatte die Nahrung von Wespen bereits angesprochen:
Die fertig entwickelten Wespen benötigen kohlehydrathaltige, süße Nahrung :
Mit dem Sammeln von Nektar beteiligen sich die Wespen an der Bestäubung von Pflanzen und Obstgehölzen.
Deutsche Wespe und Gemeine Wespe erhalten zusätzlich noch einen Stellenwert als „Gesundheitspolizei“ im Naturhaushalt. Diese beiden Arten beteiligen sich noch an der Beseitigung von Aas.
Eiweißhaltige Nahrung für die Larven im Nest:
Hier sind alle Wespenarten wahre Meister als Insektenvertilger.
Ein Hornissennest z. B. vertilgt in den Sommermonaten am Tag etwa 500 Gramm Insekten. Das ist eine Tagesration von 3 Meisenfamilien.
Übrige Wespennester vertilgen etwa die Hälfte.
Wenn man 500 Gramm auf eine kleine Fliege, Stechmücke, Raupen, Forstschädlinge und andere Insekten hochrechnet, so kommt man auf mehrere Tausend Insekten am Tag …
Und Hornissen vertilgen zusätzlich noch ihre kleineren Verwandten, die Wespen.
Welche natürlichen Feinde von Wespen gibt es?
Davon gibt es eine ganze Menge:
Als größten (unnatürlichen) Feind müsste man wohl den Menschen nennen, der entdeckte Wespennester vergiftet, abtötet und zerstört. Meist trifft es dann auch noch die Falschen, nämlich die Nester, die leicht entdeckt werden und niemals lästig werden (siehe oben).
Aber auch die Natur bietet Fressfeinde und Parasiten gegen Wespen.
Säugetiere und Vögel, die es auf die Larven im Nest abgesehen haben: z. B. Wildschwein, Dachs, Bär, Spitzmaus und Igel. Die sind allerdings nicht auf Wespen spezialisiert. Unter den Vögeln gibt es beispielsweise den Wespenbussard, der sich darauf spezialisiert hat, Wespennester auszugraben und den Bienenfresser, der Flugtiere frisst.
Insekten fressen Insekten und so wird auch der Jäger zum Gejagten:
Spinnen, Libellen, Fangschrecken, Raubfliegen, um einige Insektenjäger zu nennen.
„Wespenspezialisten“ sind der Wespenkäfer, der im Nest von den Larven lebt und die Wachsmotte, deren Larven in den Waben Stockwerk für Stockwerk mit einem dichten Gespinst abtrennen und die gesamte Brut auffressen.
Zu den Winzlingen unter den Feinden gehören die Fadenwürmer, Milben und Pilze
Auch möchte ich noch die verschiedenen Arten der fleischfressenden Pflanzen erwähnen.
Sie sehen, die Natur hält für jeden „Spieler“ auch einen „Gegenspieler´“ parat.
Können Sie die Problematiken von im Handel erhältlichen Insektiziden und Wespenfallen erläutern, die in vielen Haushalten gegen Wespen eingesetzt werden?
Wespenfallen sind absolut hinterhältige und gemeine „Mordmaschinen“.
Mit Lockmitteln werden nicht nur Wespen angelockt. Viele andere Insekten landen ebenfalls in der Falle. In solch einer Falle fliegen die angelockten Insekten solange, bis sie vor Schwäche in die Flüssigkeit fallen und dort in einem langen Todeskampf jämmerlich ertrinken.
Neben Wespen verirren sich auch Honigbienen, Schmetterlinge, Ohrenkriecher, Fliegen, Hornissen und viele andere Insekten in die Falle.
Wespenfallen werden im Handel angeboten. Sie zu kaufen ist kein Problem.
Wespenfallen aber zu betreiben, das verstößt gegen den § 39 im Bundesnaturschutzgesetz. Hier steht eindeutig geschrieben: „… es ist verboten, wildlebende Tiere mutwillig zu beunruhigen oder ohne vernünftigen Grund zu fangen, zu verletzen oder zu töten …“.
Wer also eine Wespenfalle mit Lockmitteln betreibt, verstößt gegen das Bundesnaturschutzgesetz und begeht eine Ordnungswidrigkeit, die mit einer Geldstrafe geahndet werden kann.
Seit ein paar Jahren kursiert im Internet der so genannte Papierknäuel-Trick. Laut diesem wird Wespen durch ein hellbraunes Stück Papier, welches man in Kugelform zusammenknüllt und aufhängt, vorgegaukelt, dass sich auf dem Grundstück bereits ein Wespennest befindet. Dies soll einem Nestbau und Störungen durch die Tiere vorbeugen. Haben Sie in puncto Wirksamkeit Erfahrungswerte zu diesem Tipp?
Es gibt sogar solche „Wespennestattrappen“ zu kaufen. Nun, wem es gefällt … ich halte davon nicht viel. Wespen sind als Insektenjäger immer auf der Suche nach Beute. So durchfliegen sie auch andere Reviere. Hierbei kommt es nicht zu territorialen Revierverteidigungen oder ähnlichem. Ich glaube, dann hätten die Wespenvölker im Sommer so viel zu verteidigen, dass die Brutpflege zum Erliegen käme. Nein, für „Papierknäuel, Attrappen & Co.“ haben Wespen und Hornissen einfach keine Zeit …
Was können Sie Garten- und Hausbesitzern raten, auf deren Grundstück sich ein Wespennest befindet und die einerseits bereit sind, dieses zu tolerieren, andererseits aber von den Wespen auch nicht in ihrem Alltag gestört werden möchten?
Wenn jemand bereit ist, ein Wespennest zu tolerieren finde ich das wirklich eine feine Sache. Und umweltbewusst.
Der Garten- oder Hausbesitzer hat mit einem Wespen- oder Hornissennest einen gigantischen Insektenvernichter in seinem Lebensraum. 2016 war ein extremes Stechmückenjahr.
Von vielen Leuten bekam ich in Beratungsgesprächen bestätigt, dass aufgrund des vorhandenen Wespennestes z.B. unter dem Dach, der Gartenhütte, im Gebüsch etc. die Stechmücken kaum zur Plage wurden.
Ich selbst beherberge, aufgrund meiner Umsiedlertätigkeit, schon mal 3-5 Wespennester sowie ein Hornissennest in meinem Garten. Meine Obstgehölze muss ich nicht mit Insektiziden behandeln und Fliegen oder Mücken sind bei uns nur selten ein Thema.
Wespen wollen Beute machen und nicht den Menschen ärgern. Sie gehören zum Sommer wie all die anderen Insekten auch. Somit sollte man sich auf Insektenflug im Sommer einstellen …
An wen können Hausbesitzer sich wenden, wenn sie ein Wespennest am Haus finden, welches sie massiv stört beziehungsweise für sie eine Gefahr darstellt (wie dies beispielsweise bei Wespengift-Allergikern der Fall sein kann) und welche Maßnahmen kommen in solchen Fällen in Betracht?
Zuständig für solche Anfragen sind die örtlichen Umweltbehörden.
Hier kennt man sicher einen Wespenberater oder Umsiedler.
Dies können z.B. Personen aus der Feuerwehr, den Naturschutzverbänden (NABU, Bund etc.), Imker oder Schädlingsbekämpfer sein.
Stellt sich heraus, dass tatsächlich eine „echte“ Wespengiftallergie – mit Allergiepass und Notfallset – besteht oder dass sich ein Wespennest im unmittelbarsten Lebensbereich befindet (Rollladenkasten über der Balkontür, unter der Eingangstreppe, im Lüftungsrohr der Küche etc.), kann man Hilfe anbieten.
Zu den Maßnahmen gehören zum Beispiel Nestabsicherungen, Flugumlenkungen, die Umquartierung eines Nestes an einen anderen Standort im Garten, bis hin zur Umsiedlung an einen anderen Standort. Falls gar nichts mehr gehen sollte müsste eine Abtötung des Nestes von einem Schädlingsbekämpfer vorgenommen werden.
Jetzt haben wir so viel über Abwehrmaßnahmen und Problematiken gesprochen. Doch was kann man eigentlich im eigenen Garten tun, um beispielsweise Hornissen, die zudem zu den besonders geschützten Arten zählen, das Leben leichter zu machen?
Naturbewusste Garten- oder Hausbesitzer teilen gerne ihren Lebensraum mit anderen Geschöpfen aus der Natur. Dabei kann man wunderbare Beobachtungen machen und vielleicht sogar erkennen, dass manches Ammenmärchen gar nicht stimmt …
Was kann man machen:
Man kann zum Beispiel in einem aufgeräumten Garten eine kleine Ecke verwildern lassen. Es gibt wunderbare Sträucher und Pflanzen für Bienen, Hummeln und Wespen.
Als Futterpflanzen, an denen besonders Wespen mit ihrer kurzen Zunge die Nektarien erreichen, wären u.a. blühende Sträucher der Gemeinen Berberitze (Anmerkung GaN: giftig) , des Faulbaums (Anmerkung GaN: giftig) und Mispelarten wie z.B. Cotoneaster acutifolius (Anmerkung GaN: giftig) oder Cotoneaster horizontalis (Anmerkung GaN: giftig) zu empfehlen.
Natürlich bietet sich auch an, Nisthilfen zur Verfügung zu stellen.
Gerade die Hornisse leidet unter akutem Nistplatzmangel. So genannte Hornissennistkästen kann man selbst bauen (Baupläne im Internet) oder bereits fertiggestellt käuflich erwerben.
Wer so einen Nistkasten in seinen Garten hängt und dieser auch besiedelt wird, der wird wunderbare Naturbeobachtungen mit Hornissen machen können. Auch wird man feststellen, dass Hornissen mitunter zu den friedfertigsten Wespenarten gehören.
Abschließend noch eine letzte Frage: Wo können interessierte Leser mehr über Sie und Ihre Arbeit beziehungsweise weitere Hilfestellung bei „ihrem Wespenproblem“ erfahren?
Ich betreibe seit dem Jahr 2003 eine Internetseite, die zur Aufklärung und zum Schutz von Wespen und Hornissen beitragen soll.
Gerne können mich die Leser einmal auf Aktion Wespenschutz besuchen. Dort biete ich interessierten Besuchern viele Informationen und Wissenswertes rund um Wespe, Hornisse, Hummel & Co an.
Ich denke, auf meiner Webseite wird einiges zum „stichhaltigen Sommerthema“ angeboten und man wird eine Antwort auf seine Frage finden.
Sollte es tatsächlich einmal nötig sein, dass jemand darüber hinaus doch noch einmal eine Beratung möchte, so kann er mich kostenlos per Mail oder an meinem “Wespentelefon” erreichen.
Vielen Dank für das Interview!